J. Schweikart: Sehr geehrte Frau Dr. Kho, dem grünen Tee werden seit jeher förderliche Wirkungen zur Vorbeugung von Krebs und gegen bestehende Krebserkrankungen nachgesagt. Viele wissenschaftliche Studien geben Hinweise auf die antioxidative und anti-angiogenetische und damit antikarzinogene Wirkung des Grüntees. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Interessierte und Betroffene den grünen Tee zu sich nehmen wollen, sei es um einer Krankheit vorzubeugen, sei es aber auch, um bei einer bestehenden Erkrankung zusätzlich zur hochschulmedizinischen Therapie etwas auf naturheilkundliche Weise beizutragen.
Dr. Kho: Das ist richtig, wenn auch das Interesse unserer Patienten am grünen Tee, oder an unterstützenden naturheilkundlichen Verfahren durchaus unterschiedlich ausgeprägt ist. Ich beobachte, dass gerade Frauen und besonders Patientinnen bestimmter Krebsarten, insbesondere Brustkrebspatientinnen, sehr aufgeschlossen sind und sich sehr für diese Themen interessieren.
J. Schweikart: Nun ist es ja bekannt, dass bestimmte Inhaltsstoffe des grünen Tees eine Wechselwirkung mit bestimmten Medikamenten und medizinischen Verfahren ausüben und dadurch deren Erfolg beeinträchtigen können. Insbesondere die Catechine sind für diese Eigenschaft bekannt. Was antworten Sie einem Patienten, der sich bei Ihnen erkundigt, ob er neben der Krebstherapie grünen Tee zu sich nehmen darf?
Dr. Kho: Grundsätzlich stimme ich dem Genuss des grünen Tees zu und erlaube das meinen Patienten, wenn auch bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten sind. Bei der Strahlentherapie ist eine der erwünschten Wirkungen der Bestrahlung ja gerade die Erzeugung freier Sauerstoffradikale, die die Tumorzellen angreifen sollen. Dies stellt zwar nicht den wichtigsten Effekt der Therapie dar, aber ist trotzdem nicht zu unterschätzen. Ein Tee, der nun dieser Wirkung durch seine antioxidativen Eigenschaften entgegenwirkt, sollte zumindest nicht am Tag der Therapie eingenommen werden. Die genannte Wirkung der Strahlen hält nur für einige Stunden vor, so dass ich meinen Patienten mit einigem Sicherheitspuffer rate, an den Therapietagen keine Antioxidantien zu sich zu nehmen, um entsprechend die Therapie nicht zu unterlaufen. Beachtet man diese Regel, sollte man sich auf der sicheren Seite befinden.
J. Schweikart: Wie verhält sich das bei den anderen Therapieformen gegen Krebs, insbesondere bei der Chemotherapie, oder bei neueren Verfahren, wie der Antikörpertherapie? Im Netz findet sich dazu zum Beispiel ein Artikel von Dr. Markus Horneber, Arzt in der Onkologie und Leiter der Arbeitsgruppe Biologische Krebstherapie, Klinikum Nürnberg, der davor warnt, neue Krebsmedikamente mit dem Wirkstoff Bortezomid zusammen mit Grüntee einzunehmen, da dadurch die Wirkung aufgehoben würde.
Dr. Kho: Für die Chemotherapie empfehle ich meinen Patienten das Gleiche wie in der Strahlentherapie. Man sollte den grünen Tee nicht an den Therapietagen, bzw. besser in den Therapiepausen einnehmen. Bei der Antikörpertherapie, die ja zur Zeit groß im Kommen ist, gilt dies umso mehr.
J. Schweikart: Ich habe noch eine Frage bezüglich der Verträglichkeit vom grünen Tee und dem teilweise sehr geschwächten Zustand von Patienten. In fortgeschrittenen Krebsphasen oder in bestimmten Therapiephasen sind die Betroffenen ja teilweise sehr geschwächt. Aber gerade bei fortgeschrittener Erkrankung ist es meiner Ansicht nach ratsam, höhere Dosierungen an Antioxidantien bzw. an Catechinen einzunehmen, die meiner Beobachtung nach den Körper leider auch etwas fordern und belasten. Es stellt sich mir also die Frage, wie Sie diesen Umstand sehen.
Dr. Kho: Wir betreiben hier ja eine rein hochschulmedizinische Therapie und arbeiten nicht mit naturheilkundlichen Mitteln, oder mit dem grünen Tee. Insofern kann ich Ihre Beobachtung nicht beurteilen. Aber mir ist es immer ein Anliegen, dem Patienten darauf aufmerksam zu machen, dass was immer er einnimmt, er versuchen sollte dafür ein Gefühl zu entwickeln, ob und inwiefern ihm das gut tut und weiterbringt. Der Patient sollte möglichst ein gutes eigenes Körpergefühl entwickeln und auf die Signale seines Körpers achten. Für mich heißt das: Fühlen sich stark catechinhaltige Grünteesorten für den Patienten in einer Phase zu anstrengend an, sollte er darauf reagieren und die Dosierung reduzieren, oder auf leichtere Sorten umsteigen. Sobald er sich wieder stärker fühlt, z.B. in der Nachsorge, kann er dann ja wieder den Konsum steigern, wenn er das Gefühl hat, dass ihm das hilft, die restlichen Tumorzellen abzutöten. Im Zweifel sollte er das aber einfach mit dem behandelnden Arzt abstimmen. Das Wichtigste ist vor allem, an den Therapietagen den Grünteekonsum zu meiden.
J. Schweikart: Sehr geehrte Frau Dr. Kho, ich bedanke mich herzlich für das Interview.