Entdeckung des Grüntees in China: Kaiser Shennong
Einer indischen Legende nach soll Siddhartha Gautama „Buddha“ (6. Jhd. v. Chr.) der erste Mensch gewesen sein, der den grünen Tee zu sich genommen hat. Die Geschichte des grünen Tees führt jedoch noch weitaus ferner in die Vergangenheit zurück. Es wird angenommen, dass der Tee in China bereits vor der Zeit des großen und verehrten Kaisers Shennong, 2.737 v. Chr., also vor annähernd 5.000 Jahren genutzt wurde. Der chinesischen Legende nach, hat der Kaiser selbst zufällig diese Entdeckung gemacht. Es wird überliefert, dass Shen Nong (Piyin: shénnóng, chinesisch: 神农) beim Verbrennen eines Kamelien-Strauches, der botanisch mit der Grünen Tee Pflanze Camellia Sinensis verwandt ist, sein charakteristisches Aroma bemerkte und von diesem sehr bewegt war. Er untersuchte die Teepflanze daraufhin näher und erfand ihre Nutzung als Tee. Neben dieser Legende ist von Kaiser Shen Nong überliefert, dass er auch hunderte andere wilde Pflanzen und Kräuter selbst versucht habe, um deren Heilwirkung kennenzulernen und damit über 100 Krankheiten heilen konnte. Stellten sich manche Kräuter als toxisch heraus, verwendete er die Teepflanze zur Entgiftung. Er gilt als der Vater der chinesischen Medizin, Keramik und Landwirtschaft und ist als großer Führer seines Landes, als Astronom und Musiker bekannt.
Grüner Tee als Heilpflanze
In den ersten Jahrhunderten nach seiner Entdeckung setzte sich die Verwendung des grünen Tees zwar schnell in der gesellschaftlichen Oberschicht als Luxusprodukt, aber zunächst nur langsam in der breiten Masse Chinas durch. Aus der Zeit Laotses (etwa 400 v. Chr.) und bereits zuvor (z.B. in Texten des Philosophen Yen Ying, der 493 v.Chr. starb) kennt man Überlieferungen zur Nutzung des Tees. Damals verwendete man noch die alte Bezeichnung T’u für Tee (was damals auch gleichzeitig soviel bedeutete wie „viele Dinge“), „ming“ für die Knospen des Tees sowie später das heutige Wort Ch’a. Das erste Buch über die Zubereitung und den Einkauf von Tee – „Ein Vertrag mit einem Diener“ – stammt von Wang Bao (Pinyin: Wáng Bāo, chines.: 王褒) aus der Zeit des Kaisers Sen, 59 v. Chr. Daraus lässt sich schließen, dass der grüne Tee nicht nur ein wichtiger Teil der täglichen Nahrung, sondern auch ein verbreitetes Handelsprodukt war. In der Han-Dynastie (206 v.Chr. – 220 n.Chr.) entwickelte sich zunehmend der Gebrauch des grünen Tees. Es ist aus dieser Zeit z.B. überliefert, dass ein buddhistischer Mönch dem Kaiser grünen Tee gegen seine Kopfschmerzen verschrieb. Im vierten Jahrhundert n. Chr. beschreibt Kien Lung die Heilwirkungen des Tees. Allgemein wurde das Getränk zwar auch wegen des guten Geschmacks, aber hauptsächlich wegen seiner belebenden Wirkung und Heilfähigkeiten getrunken. Berichtet wird z.B. über die guten Wirkungen bei Rheuma (auch als Umschlag), Sehschwäche, Altersweitsichtigkeit, Kopfschmerzen und Gedächtnisproblemen.
Lu Yu und Verbreitung ab der Tang Dynastie
Ab etwa 400 n.Chr und vor allem in der prosperierenden Tang Dynastie (618 – 907 n. Chr.) verwurzelte sich der grüne Tee schließlich tief in der Alltagskultur in ganz China. Die „Bibel“ des grünen Tees entsteht in dieser Periode. Der Tang-Gelehrte, Dichter und Autor verschiedenster Bücher Lu Yu (Piyin: lùyǔ, chines.: 陆羽, 733-804 n. Chr.) schreibt in 780 n.Chr. das erste spezifische Buch über grünen Tee „Ch’a Ching“ (das Buch vom Tee / Teeklassiker, The Classic of Tea). Er befasst sich darin mit der Geschichte, der Herstellung (9 Stufen), der Zubereitung (7 Stufen) und dem Trinken von grünem Tee. Für ihn sind 24 Anforderungen strengstens zu beachten, zu welchem Zeitpunkt die Ernte stattfinden muss, welches Wasser benutzt wird etc. Die Herstellung des Tees „scheitert“wenn auch nur einer dieser Kriterien missachtet wird. Er empfand als optimale Farbe für die Teeschale ein Blau, um das spezielle Grün des Tees aus dem Teeziegel hervorzuheben. Die weiße Farbe, die in Nordchina bevorzugt wurde, beurteilte er als unpassend, da sie den Ziegeltee Rosa aussehen lasse (vgl. 1, S. 28). Lu Yu gilt noch heute als der „Heilige“ bzw. Schutzpatron und Purist des Tees. Er lehnte zum Beispiel alle in Mode gekommenen Zugaben (Honig, Aromen etc.) in den Tee ab. Durch die große Popularität, die der grüne Tee mittlerweile in China in allen Gesellschaftsschichten genoss, wurde im 7. Jahrhundert unter dem Kaiser T’ai Tsung sogar erstmals eine Teesteuer erhoben. Und Taoisten behaupteten, dass der grüne Tee eine wichtige Zutat für das Elixir der Unsterblichkeit sei. Neben der falschen Erziehung der Jugend, der ungebildeten Bewunderung von Malerei hielt man die Verschwendung von grünem Tee durch unwissenden oder falschen Gebrauch als eine der drei am meisten zu beklagenden Vorkommnisse auf der Welt.
Teeziegel und Kochen des Tees in der Tang-Dynastie
Während der Tang Dynastie – ggf. schon im 4. oder 5. Jahrhundert n.Ch. – erfand man die Form der Zubereitung und Aufbewahrung von grünem Tee, den sogenannten Teeziegel oder Teekuchen. Dieser wurde aus zerstoßenen Teeblättern in meist schön verzierte Ziegelformen gepresst. Von diesen Ziegeln konnte man den Tee je nach Bedarf abschaben und in heißes Wasser geben. Lu Yu beschreibt in seinem Buch vom Tee wie die genaue Zubereitung vonstatten ging (vgl. im folgenden 1, S. 29). Zunächst röstete man den Teeziegel vor dem Feuer, bis er weich geworden ist, um ihn anschließend zwischen zwei Bogen Papiers zu Pulver zu zerreiben. Kocht das Wasser mit ersten kleinen Bläschen, dann wird Salz zugegeben. Sobald das Wasser schärfer kocht und kristallinen Tropfen eines Springbrunnen gleicht, wird der Tee eingerührt. Kommt das kochende Wasser stark in Wallung wird eine Kelle kühles Wasser zugesetzt und dem Tee Zeit zum Setzen gelassen. Anschließend wird er zum Verzehr in Schalen gegossen. Die Teeziegel bieten neben der hübschen Optik den Vorteil einer langen Lagerfähigkeit und einem deutlich geringeren Transportvolumen. Die Ziegel wurden so beliebt, dass sie sogar bis ins 20. Jahrhundert hinein in Asien teilweise als Naturalgeld verwendet wurden. Für die Zubereitung von grünem Tee kommt der Teeziegel auch teilweise heute noch zum Einsatz. Der große Nachteil der Teeziegel besteht jedoch in einem starken Verlust an wertvollen Inhaltsstoffen bei der Herstellung und ggf. langen Lagerung. Auf der anderen Seite kann so, vor allem bei längerer Reifung, vom Nachfermentieren des Tees profitiert werden, bei dem sich ganz bestimmte andere Inhaltsstoffe bilden und spezielle gesundheitliche Wirkungen bedingen.
Geschlagener Tee und Teezeremonie in der Song-Dynastie
Der erste aufgeschäumte Pulvertee aus grünem Tee kam in der Song-Dynastie (960 bis 1279 n. Chr.) auf. Dies entspricht auch der Ursprungszeit der klassischen Teezeremonie. Der grüne Tee wurde in Steinmühlen gemahlen und mit einem Besen in einer Schale mit heißem Wasser aufgeschäumt. Im Gegensatz zum Teeziegel bietet diese Zubereitungsform spezifische Vorteile im Hinblick auf den Erhalt bestimmter Inhaltsstoffe (siehe Matcha). Gleichzeitig verfügt das Teepulver nur über eine relativ kurze Lagerfähigkeit. Mit dieser neuen Zubereitung änderte sich auch der Gebrauch und die Art der Teeutensilien. Für den Pulvertee wurden schwere Gefäße in Blauschwarz und Dunkelbraun vorgezogen (vgl. 1, S. 29). Aus der Zeit der Song-Dynastie ist bekannt, dass in China eine beachtliche Vielfalt an Teesorten existierte. Kaiser Hui-tsung (1101-1124) verschwendete beispielsweise viel Geld in den Ankauf seltener Sorten und hinterließ eine Schrift in der er 20 Teesorten beschrieb (vgl. 1, S. 31).
Die Mongolenherrschaft im 13. Jahrhundert
Die verfeinerte Form der Teekultur wurde jedoch jäh mit dem Einfall der Mongolen im 13. Jahrhundert n.Chr. und ihrer Herrschaft in China dauerhaft unterbrochen. Die Mongolen hatten wenig Sin für das feine Teepulver und seine Zeremonie und bevorzugten gröberen, gekochten Blättertee, den sie als günstiges Exportprodukt der chinesischen Handelsleute kannten. Zubereitet wurde er wie zu alten Zeiten durch Kochen zusammen mit anderen Zutaten wie Milch, Reis, Schalen, Zwiebeln etc. Entsprechend kamen die Anstrengungen des Adels und die höfischen Sitten um das Teepulver zum Erliegen und wurden unterdrückt. Die Zeremonie des Teepulvers konnte sich im unbesetzten Japan hingegen verbreiten und weiter entwickeln. In China spielt sie bis heute nur mehr eine untergeordnete Rolle.
Aufbrühen des Tees ab der Ming-Dynastie
Ab der Ming-Dynastie (1368 bis 1644 n.Chr.) entwickelte sich erst die heutige Form des Aufgießens ganzer Teeblätter. Dies wurde ermöglicht durch neue luftdichte Behältnisse (Porzellan und Keramik), in denen man ganze Teeblätter über einen relativ langen Zeitraum aufbewahren konnte. So musste der Tee nicht mehr zermahlen und gepresst werden. Bis heute stammen aus dieser Zeit die Rituale, Utensilien und Techniken der Grüntee-Zubereitung. Es wurde beispielweise eine geeignete Teekanne mit einem Seitengriff entwickelt. Sie kann als Vorläufer der traditionellen Seitengriffkannen (japanisch Kyusu) in der Teekultur bezeichnet werden. Bis heute wird in China diese Kanne zur Herstellung von Kräutermedizin benutzt. Es gilt hervorzuheben, dass die meisten Errungenschaften der Teekultur aus dem alten China stammen. Besonders hervorzuheben ist die Keramik aus besonderem Ton und das weiße Porzellan, die besonderen Eisenkessel und Teekannen, der Teeziegel und das Teepulver, das Dämpfen und Erhitzen der Teeblätter zum Stoppen der Oxidation, die gezielte Oxidation des Tees und seine Reifung und vieles mehr. Mit dem Aufbrühen des Tees bevorzugten die Teemeister von nun an weißes Porzellan und Teekannen aus speziellem Ton (vgl. 1, S. 29).
Quellen:
1 Okakura, Kakuzo: Das Buch vom Tee, übertragen von Horst Hammitzsch, insel taschenbuch, 1. Aufl. 1979.