Wie viele Aufgüsse sind empfehlenswert?
Eine der häufigen Fragen bei der richtigen Zubereitung von grünem Tee lautet: Wie viele Aufgüsse kann oder sollte man mit seinem grünen Tee vornehmen? Der Hintergrund dieser Frage stammt in der Regel aus folgenden Bereichen:
- Es wird angestrebt, die volle gesundheitliche Wirkung des grünen Tees zu ernten.
- In der Welt der traditionellen gehobenen Teekultur wird der Tee in der Regel in zwei oder gar drei Aufgüssen zubereitet. Dadurch lassen sich unterschiedliche Geschmackserlebnisse erzielen.
- Grüner Tee ist teuer und man möchte ihn möglichst maximal nutzen können.
- Manche koffeinsensible Menschen zielen darauf ab, den ersten Aufguss nicht zu trinken und somit weniger Koffein zu sich zu nehmen.
Im folgenden wird zunächst kurz erklärt, weshalb Ziehzeit, Wassertemperatur und Anzahl der Aufgüsse eine so große Bedeutung besitzen, dann die traditionelle Zubereitungsempfehlung erläutert und anschließend der gesundheitliche und finanzielle Aspekt näher beleuchtet.
Wirkstoffe in Abhängigkeit von der Ziehzeit und Wassertemperatur
In den Beiträgen zur richtigen Ziehzeit und zur Wassertemperatur haben wir ausgeführt, dass je nach Ziehdauer und Temperatur unterschiedliche Inhaltsstoffe der Teepflanze in unterschiedlicher Intensität ins Teewasser gelangen. Das bedeutet, dass der Wirkstoffkomplex sich mit jeder Sekunde Ziehzeit und unterschiedlicher Temperatur deutlich verändert. Manche Stoffe werden früher ins Wasser gespült und wieder andere, wie z.B. bestimmte für den Körper allgemein weniger verträgliche Gerbstoffe, gelangen ab 2 Minuten überproportional hinein. Catechine und Bitterstoffe allgemein werden bei höheren Temperaturen (>80 Grad Celsius) stärker ins Wasser gezogen. Aminosäuren (starke gesundheitliche Wirkung, aber auch vor allem für das Aroma wichtig) benötigen geringere Temperaturen (50-60 Grad Celsius). eine signifikante Menge des Koffeins wird bereits in den ersten 30 Sekunden der Ziehzeit ins Wasser gelöst, während die sie verträglicher machenden Aminosäuren erst ab etwa 1 Minute stärker ins Wasser gehen. Diese unterschiedliche Zusammensetzung hat eine starke Auswirkung auf den Geschmack, Charakter und Wirkung eines Teeaufgusses.
Wechselwirkung der Inhaltsstoffe
Doch nicht nur die Konzentration der einzelnen Substanzen im Teeaufguss spielt eine Rolle, sondern besonders auch deren Beziehung untereinander. Die zahlreichen verschiedenen Inhaltsstoffe besitzen eine starke Wechselwirkung. Ein prominentes Beispiel ist, dass das viel im grünen Tee vorhandene Koffein durch das ebenfalls im Grüntee zu findende L-Theanin (Aminosäure) und durch die Bindung an bestimmte Bitterstoffe wesentlich verträglicher wird. Erst dadurch wird das Koffein, im Gegensatz zu fast allen anderen koffeinhaltigen Getränken, für den Körper weniger belastend, ja innerhalb eines täglichen Grenzwertes sogar äußerst gesund. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Inhaltsstoffen, z.B. auch mit dem Spurenelement Aluminium, das durch eine bestimmte Wechselwirkung im grünen Tee gepuffert wird. In geschmacklicher und gesundheitlicher Sicht kann der Teegeniesser einen Aufguss, der eine positive Wechselwirkung besitzt, als besonders harmonisch und wohltuend wahrnehmen. Zu heisse, zu lang gezogene oder zu häufig aufgegossene Tees fallen wiederum unangenehm auf, z.B. durch zu große Bitterkeit, Adstringenz, fehlende Frische oder Süsse und einen unlebendigen, unergetischen Eindruck.
Die traditionelle Zubereitung durch zwei oder drei Aufgüsse
Traditionell wird die Zubereitung des grünen Tees üblicherweise in zwei Aufgüssen empfohlen. Bei hochwertigen Grüntees sind auch drei Aufgüsse möglich. Der zweite Aufguss soll dabei deutlich kürzer als der erste ziehen, da die Teeblätter ja bereits Wasser gezogen haben. Meist wird empfohlen, dass er etwa ein Drittel bis etwa eine Hälfte der Dauer des ersten Aufgusses betragen sollte. Durch die verschiedenen Aufgüsse zielt man vor allem darauf ab, geschmackliche Variationen zu erzielen und manche Autoren sind der Ansicht, dass man so besser alle Inhaltsstoffe aus dem Teeblatt gewinnen könne. Entsprechend erklärt sich auch der Umstand, dass eine große Vielfalt an Angaben zu Grüntee-Aufgüssen existiert. Für jede Teesorte und jeden einzelnen Tee wird versucht, die optimale Kombination für jeden Aufguss zu finden. Bei besonders kräftigen Berg-Senchas wird zum Beispiel der erste Aufguss gerne mit nur einer Minute und der zweite Aufguss mit nur noch 20-30 Sekunden versucht. Beim dritten Aufguss müsste man dann wiederum die Ziehzeit verlängern, um noch Geschmack aus dem Tee zu gewinnen. Die nachfolgende Tabelle lehnt sich an die umfassende Übersicht zu den traditionellen Zubereitungsempfehlungen im Beitrag Grüner Tee Zubereitung in Japan an und zeigt eine Orientierung für den ersten und zweiten Aufguss der verschiedenen Sorten.
Teesorte | Teemenge pro Person | Temperatur 1. Aufguss | Wassermenge | Ziehzeit 1. Aufguss | 2. Aufguss |
Gyokuro (high grade) | 3.3 g (ein gestrichener Teelöffel) | 50° C | 20 ml | ca. 150 sek. | Wassertemperatur sollte leicht erhöht, aber die Ziehzeit verkürzt werden. |
Gyokuro (standard) | 3.3 g (ein gestrichener Teelöffel) | 60° C | 20 ml | ca. 120 sek. | |
Sencha (high grade) | 2.0 g (ca. halber Teelöffel) | 70° C | 60 ml | ca. 120 sek. | |
Sencha (standard) | 2.0 g ( ca. dreiviertel Teelöffel) | 80 – 90 ° C | 90 ml | ca. 60 sek. | |
Bancha | 3.0 g (ca. halber Teelöffel) | kochendes Wasser | 130 ml | ca. 30 sek. | Für den zweiten Aufguss sollte ebenfalls kochendes Wasser benutzt werden. |
Hojicha | 3.0 g (ca. gehäufter Teelöffel) |
Erster Aufguss
Die grundsätzliche Empfehlung der japanischen Teekultur besagt zum ersten Aufguss also je nach Grünteesorte eine Ziehzeit von 30 bis 150 Sekunden. Es finden sich in der Literatur auch maximale Zeiten von drei Minuten. Dazu wird der Tee in eine traditionelle Teekanne gegeben (Kyusu) und mit dem je nach Teesorte unterschiedlich erwärmten Wasser übergossen. Es wird besonderen Wert darauf gelegt, dass die einzelnen Tassen aus der Teekanne stufenweise eingefüllt werden. Das bedeutet, dass alle Tassen nach und nach durch ein geringes Einschenken gefüllt werden. Dadurch kann eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Teekonzentrationen erreicht werden, denn der Tee zieht ja während des Eingießens in der Kanne noch weiter. Alles Teewasser wird so aus dem Kyusu vollständig in die Tassen gegossen. Es verbleiben die aufgegossenen und aufgequollenen Teeblätter in der Teekanne zurück. Achten Sie darauf, dass keine Restflüssigkeit im Kyusu verbleibt. Andernfalls wird der Tee noch schneller – als dies eh schon der Fall ist – unbrauchbar. Der Tee wird nun zügig aus den Teetassen getrunken. Er verliert relativ schnell an Geschmack und was noch wichtiger ist: Nach etwa zehn Minuten verliert er den Großteil seiner gesundheitlichen Wirkung.
Zweiter Aufguss
Innerhalb relativ kurzer Zeit (wir empfehlen nicht länger als 15 Minuten) soll dann der zweite Aufguss genossen werden. Oft wird als Grundregel die Hälfte der Zeit des ersten Aufgusses und ggf. eine leicht höhere Temperatur vorgeschlagen. Viele Teekenner jedoch variieren je nach Tee sowohl beim ersten als auch beim zweiten Aufguss die Ziehzeit teilweise deutlich kürzer als in der o.g. Empfehlung. Premium Senchas werden so teilweise nur 30-60 Sekunden im ersten Aufguss und einige Sekunden im zweiten Aufguss gezogen. Der zweite Aufguss wird nach wenigen Minuten vorgenommen. Mit ihm gelangen deutlich weniger Aminosäuren und wesentlich mehr Bitterstoffe und Catechine ins Wasser, vorausgesetzt, dass man sich an die Werte der Tabelle oben hält. Für mich persönlich bedeutet dies zwar eine interessante geschmackliche Erfahrung, aber gleichzeitig ein großer Verlust an gesundheitlicher Wirkung des Tees. Im übrigen erachten wir auch den exakt bei 2 Minuten und 50-60 Grad ziehenden Gyokuro und Sencha als wesentlich aromatischer, als der Tee mit zwei Aufgüssen nach der Methode in der Tabelle oben.
Dritter Aufguss
Für besonders hochwertige Tees wird teilweise auch ein dritter Aufguss als möglich bzw. interessant angesehen. Häufig wird hierzu eine noch kürzere Ziehzeit als beim zweiten Aufguss und eine erhöhte Temperatur vorgeschlagen. Bereitet man den Tee gemäß den in der obigen Tabelle empfohlenen Angaben zu, sollte man unserer Meinung nach grundsätzlich von einem dritten Aufguss aus gesundheitlicher Sicht verzichten (hoher ungepufferter und ungebundener Gerbstoffanteil). Auch geschmacklich dürfte dies meist keine große Freude mehr darstellen. Hat man den Tee jedoch im ersten und zweiten Aufguss kürzer zubereitet (in Summe unter 1,5 Minuten), kann ein dritter Aufguss gesundheitlich noch vertreten werden.
Anzahl der Aufgüsse aus gesundheitlicher Sicht
Auch wenn es zutreffen mag, das mit einem zweiten Aufguss interessante geschmackliche Erfahrungen gemacht werden können – dies sei jedem Teeliebhaber selbst überlassen – so würde ich die gesundheitliche Wirkung aber als kritisch betrachten. Über die übliche Ziehzeit hinweg geraten unterschiedliche Stoffgruppen in verschiedener Konzentration ins Teewasser. Ab einem bestimmten Punkt ergibt sich daraus eine fast wunderbare Wechselwirkung, die eine besonders verträgliche und positive Wirkung auf die Gesundheit erzielt. Es ist aus unserer Sicht viel zuträglicher, diesen harmonischen Wirkstoffmix zu trinken, als zwei oder gar drei unharmonische Aufgüsse mit bestimmten Schwerpunkten bei den Inhaltststoffen. Gleiches gilt für das Wegschütten des ersten Aufgusses um weniger Koffein einzunehmen. Bitte lesen Sie dazu den Beitrag Koffein und Ziehzeit. Es wäre hier bei Unverträglichkeit besser, auf andere Grünteesorten mit weniger Koffein, wie z.B. Bancha oder Karigane, umzusteigen, bis sich die Sensibilität gelegt hat. Insgesamt geht es also um die Findung des richtigen Kompromisses und „Sweet Spots“, um den optimierten Wirkstoffkomplex für die beste allgemeine gesundheitliche Wirkung zu treffen. Und dieses Optimum liegt bei den meisten Grünteesorten in der Regel bei exakt zwei Minuten in einem einzigen Durchgang beziehungsweise Aufguss (Ausnahme frischer Shincha 90 Sekunden und für spezielle therapeutische Zwecke werden spezielle Temperaturen und Ziehzeiten eingesetzt. Siehe dazu den Beitrag Zubereitung von Grüntee und Zubereitung für die Gesundheit.
Geld sparen durch mehrere Aufgüsse?
Bleibt noch der letzte oben genannte Aspekt, der für mehrere Aufgüsse sprechen könnte, nämlich Geld zu sparen, in dem man den schönen Tee lieber mehrfach verwertet. Aber schauen Sie dazu nochmals in die obige Tabelle. Anhand der relativ geringen empfohlenen Wassermenge und der relativ hohen Teeemenge pro Person (siehe Tabelle oben) wird deutlich, dass die traditionelle Zubereitung nicht gerade einen sparsamen Umgang mit Grüntee bedeutet. Unsere Empfehlungen in gesundheitlicher Sicht sind dahingehend großzügiger. Möchte man allerdings auch den zweiten Aufguss noch mit einer größeren Wassermenge (z.B. 0,5 l) zubereiten, müsste man ihn dafür nochmals länger ziehen lassen, um überhaupt noch etwas zu schmecken. Doch von dieser Methode raten wir tatsächlich dringend ab, da man bei einer gesamten Ziehzeit von deutlich über 2 Minuten aus dem gleichen Tee höhere Anteile ungebundener Gerbstoffe erhält. Diese sind nur für bestimmte therapeutische Zwecke nützlich und ansonsten allgemein belastend. Aus unserer Sicht holt man also das Meiste aus dem grünen Tee durch eine einmalige Zubereitung mit 50-60 Grad Celsius (je nach Teequalität) und einer exakten Ziehzeit von 2 Minuten heraus.
Fazit: Empfehlung zu einem einzigen Aufguss
Es empfiehlt sich aus unserer Sicht, für die tägliche Standard-Zubereitung in gesundheitlicher Sicht nur einen Aufguss mit einer exakten Ziehzeit von 2 Minuten und einer Wassertemperatur je nach Teequalität und –sorte von 50 bis 60 Grad Celsius vorzunehmen. Wichtig sind dabei auch noch andere Faktoren, wie das richtige Wasser und das Schwenken des Teesiebs, um Schwebeteilchen zu gewinnen. Nur für bestimmte therapeutische Zwecke sind andere Zubereitungsformen sinvoll.